Kindergartenzeit (1980 – 1986)
Am 20. November 1979 erblickte ich im Kreiskrankenhaus Grimma das Licht der Welt, ein knappes Jahr nach meinem Bruder. Als ich zwei Jahre alt war, zog unsere Familie nach Trebitz, einem kleinen Ort in der heutigen Gemeinde Petersberg. Dort lebten wir auf einem alten Gutshof, umgeben von einer dicken Bruchsteinmauer, zusammen mit vielen anderen Familien. Der große Hof war für uns Kinder ein Paradies. Es gab riesige Stallungen, in denen das Stroh und Heu bis unter das Dach gestapelt war, und die Rufe von Schafen, Rindern und Pferden bestimmten den Klang des Alltags. Meine Eltern arbeiteten beide in den volkseigenen Betrieben, und während sie ihrer Arbeit nachgingen, verbrachte ich meine Tage erst in der Kinderkrippe, später im Kindergarten von Wallwitz. Zu Hause hatten wir Haustiere, die uns begleiteten, und einen großen Garten, in dem Gemüse wuchs, das wir selbst ernteten. Das Leben war geprägt von Gemeinschaft. Jeder kannte jeden, man half sich gegenseitig, und persönliche Eigenheiten traten oft hinter das „Wir“ zurück. Auch der Kindergartenalltag folgte einem festen Rhythmus: Spielen, Sport, Singen, Basteln, Essen, Schlafen, Wandern – für alles gab es seine Zeit. Die Erzieherinnen führten uns mit einer gewissen Strenge, aber auch mit Fürsorge, durch den Tag. Schon in diesen frühen Jahren begann die Vorbereitung auf die Schule, und doch erinnere ich mich vor allem an das Gefühl von Geborgenheit, an den Duft von frisch gekochtem Essen, an die bunten Bastelarbeiten und an das Lachen der anderen Kinder, mit denen ich diese ersten Schritte ins Leben teilte. Neben dem alltäglichen Leben gab es auch Pflichten, die uns Familien vom Staat auferlegt wurden. Subbotniks waren freiwillig-verpflichtende Arbeitseinsätze an Samstagen, bei denen das ganz Dorf und die Betriebe gemeinsam anpackten, Straßen reinigen, Anlagen verschönern, Bäume pflanzen oder Gebäude ausbessern. Auch Aufmärsche zum „Tag der Arbeit“ am 1. Mai waren freiwillige Pflichtveranstaltungen, an denen die ganze Familie teilnahm. Wir Kinder erhielten oft bunte Fähnchen oder Luftballons. Besonders in den Sommermonaten hieß es oft, hinaus auf die Felder zum Rübenhacken. Auch hier spürten wir Kinder, dass dies kein freiwilliges Tun war, sondern Teil einer großen Gemeinschaftsaufgabe. Ich erinnere mich an endlose Reihen von Zuckerrüben, die wir bei brennender Sonne von Unkraut befreien mussten. Diese Arbeit gehörte einfach zum Leben dazu, niemand stellte sie infrage. Es war selbstverständlich, dass jeder seinen Beitrag leistete, ob groß oder klein. So prägte uns schon früh das Gefühl, Teil eines größeren Ganzen zu sein, auch wenn die persönliche Freiheit dahinter oft zurückstehen musste.
Grundschulzeit (1986 – 1991)
Meine Grundschulzeit verbrachte ich an der Polytechnischen Oberschule Karl-Marx in Wallwitz. Schon in der ersten Klasse wurde ich Jungpionier. Mit Stolz trug ich mein blaues Halstuch, die weiße Bluse, die blaue Hose und das kleine Käppi. Sogar einen Pionierausweis bekam ich. Später, in der vierten Klasse, wurden wir zu Thälmannpionieren und das Halstuch wechselte seine Farbe von blau zu rot. Zu besonderen Anlässen wie dem Fahnenappell trugen wir unsere Uniform und begrüßten die Lehrkräfte feierlich mit der Meldung, dass die Klasse für den Unterricht bereit sei. Die Schule legte viel Wert auf Praxis. Neben den üblichen Fächern gab es Nadelarbeit, Werkunterricht und Stunden im Schulgarten. Ein besonderes Erlebnis in meiner Schulzeit war die „Messe der Meister von morgen“. Hier konnten wir Kinder kleine technische oder handwerkliche Arbeiten präsentieren. Mit viel Eifer bastelten, werkelten und tüftelten wir an unseren Projekten, die dann in der Schule ausgestellt wurden. Für uns war es ein kleines Abenteuer, eigene Ideen umzusetzen und dafür Anerkennung zu bekommen. Wandertage führten uns in die Umgebung, zu unseren Patenbetrieben oder im Sommer ins Felsenbad Petersberg, ein Höhepunkt für uns Kinder. Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis war ich ein guter Schüler. Es gab nur fünf Notenstufen, und selbst samstags war der Schulbesuch Pflicht. Fest verankert war die Schulsportolympiade. Schon Wochen vorher trainierten wir voller Ehrgeiz, um im Wettkampf zu zeigen, wie schnell, ausdauernd oder geschickt wir waren. Am Wettkampftag herrschte eine richtige Feststimmung: Klassen traten gegeneinander an, es gab Urkunden, kleine Preise und das stolze Gefühl, Teil einer großen Gemeinschaft zu sein. Ein besonderes Ereignis im Schuljahr war die Spartakiade. Wochenlang übten wir im Sportunterricht, um in den Wettkämpfen gute Ergebnisse zu erzielen. Ob Weitsprung, Staffellauf oder Ballweitwurf alles war mit großer Aufregung verbunden. Stolz trugen wir unsere Startnummern und freuten uns über Urkunden, die wir nach Hause mitnahmen. In unserer Freizeit waren wir fast immer draußen. Mit meinem Bruder und vielen Freunden tobte ich durch die Gegend, später wuchsen noch zwei kleine Schwestern in unsere Familie hinein. Besonders geliebt haben wir das Budenbauen. Mit alten Brettern, Planen und allem, was wir fanden, errichteten wir kleine Verstecke. Für uns waren es richtige Häuser, in denen wir Geheimnisse teilten und kleine Abenteuer erlebten. Das Schlimmste, was uns passieren konnte, war ein Stubenarrest. Sehr lebendig sind mir die Pioniernachmittage in Erinnerung. Wir sammelten Altpapier und Altglas oder organisierten Kuchenbasare. Das eingenommene Geld wurde für Projekte in Afrika gespendet. Wir waren überzeugt, dass wir damit etwas Gutes bewirkten. In den langen Sommerferien, die damals ganze acht Wochen dauerten, half ich oft meiner Mutter in den Obstplantagen. Dort lernte ich schon früh, was Arbeit bedeutete und ich bekam immer ein bisschen Taschengeld. Trotzdem blieb genug Zeit für Spiel, Abenteuer und Freundschaften. Ein fester Bestandteil meiner Kindheit war der Konsumladen im Ort. Dort gingen wir mit unseren wenigen Groschen hin, um uns kleine Schätze zu gönnen, wie Brausepulver, Pfeffis oder ein Wassereis für 20 Pfennig. In Wallwitz gab es sogar eine Kaufhalle. Wenn ich heute zurückblicke, erinnere ich mich an eine Kindheit voller Rituale, Gemeinschaftsgefühl und einer Mischung aus Lernen, Arbeiten und unbeschwertem Draußensein.
Weiterführende Schulbildung (1991 – 1998)
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wechselte ich zu Beginn des sechsten Schuljahres, auf Anraten meines damaligen Mathematiklehrers, Dietmar Schiller, an das Burg-Gymnasium in Wettin. Schon damals beeindruckte mich die Kulisse der alten Burgmauern, in denen die Schule untergebracht war. Das Leistungsniveau stieg von Jahr zu Jahr, und da außer den Lehrkräften aus meinem vertrauten Umfeld kaum Unterstützung möglich war, musste ich mich mit den schulischen Inhalten weitgehend allein auseinandersetzen. Die Wendejahre waren für meine Familie eine schwere Zeit. Die Schließung der volkseigenen Betriebe kostete beide Eltern ihre Arbeitsplätze, und lange Jahre prägten Arbeitslosigkeit, Zuverdienstmöglichkeiten und ABM-Maßnahmen unseren Alltag. Um die Familie finanziell zu entlasten und mir selbst gelegentlich kleine Wünsche erfüllen zu können, arbeitete ich in nahezu jeder Ferienzeit und oft auch nach der Schule. Die Palette meiner Schülerjobs war sehr breit gefächert, von der Erntehilfe in den riesigen Obstplantagen, über Kellnertätigkeiten, Grünflächenpflege, Metallverarbeitung und Gerüstbau bis hin zur Logistik im Tiefkühllager und einfachen handwerklichen oder haushaltsnahen Tätigkeiten in Betrieben und Privathaushalten. Um die Kosten für den Schulbus zu sparen, machte ich den Moped-Führerschein und baute mir mit Unterstützung meines Vaters und Freunden eine Simson S50 auf.
Die Ehe meiner Eltern zerbrach schließlich an den ständigen Existenzängsten und den finanziellen Sorgen. Kurz vor meiner Abiturphase trennten sie sich, was für mich eine sehr schwierige Zeit bedeutete. Neben den schulischen Anforderungen musste ich mich um meine jüngeren Schwestern kümmern und viele alltägliche Aufgaben im Haushalt übernehmen. Dass dies nicht ohne Spuren in meinen schulischen Leistungen blieb, war unausweichlich. Trotz aller Herausforderungen war das Leben als Jugendlicher in den 90er-Jahren für mich und viele Gleichaltrige eine wunderbare Zeit. In nahezu jedem Ort unserer Gemeinde gab es einen Jugendclub, der als zentraler Treffpunkt diente. Wir verbrachten dort viele Stunden, knüpften Freundschaften und schmiedeten Pläne. Gerne fuhren wir auch in die Discos nach Teicha, Gutenberg oder Edderitz. Im Sommer zog es uns regelmäßig an den Steinbruch nach Trebitz oder in die Sandkiete nach Ostrau, wo wir badeten, Wasserhasche spielten oder einfach gemeinsam feierten. Das waren sehr viele Momente voller Freiheit und Leichtigkeit. Ein weiteres gemeinsames Hobby war das Basteln an unseren Simsons. Stundenlang schraubten wir daran herum, tauschten Teile aus oder tüftelten an kleinen Verbesserungen. Für uns waren die Mopeds weit mehr als nur Fortbewegungsmittel. Das Lebensgefühl jener Jahre war einzigartig: schöne Musik aus Kassette oder CD, die Wände voller Poster unserer Idole, coole Klamottentrends, die Bravo als treuer Begleiter, all das machte die Jugend der 90er zu einer unvergesslichen Zeit. Gegen Ende der 1990er Jahre gründeten wir mit einer Jugendgruppe, die sich aus rund 35 Jugendlichen zusammensetzte. Mit der Volljährigkeit einiger Mitglieder gründeten wir den eingetragenen Jugendverein „Flatliner e.V.“, an dessen Spitze ich über zehn Jahre lang mitwirken durfte. Nach einer Ausbildung zum Jugendleiter beim Jugendrotkreuz übernahm ich offiziell Verantwortung für die Leitung von Jugendgruppen. Der Aufbau und Ausbau einer Jugendeinrichtung, die Organisation von Sport-, Bildungs- und Kulturveranstaltungen sowie zahlreiche Projekte in der Kinder- und Jugendarbeit vereinten Jugendliche aus den umliegenden Ortschaften und prägten eine lebendige Freizeitgestaltung. Der Jugendverein wirkte auch stets bei den familiären Heimatfesten, bei der Sanierung des Kulturhauses, bei Ökoprojekten oder bei Arbeitseinsätzen in Privathaushalten, wo kurzfristig mal viele kräftige Hände gebraucht wurden, mit. Die nachhaltige Struktur und Organisation des Vereins sichern bis heute dessen Fortbestehen als Anlaufstelle für Jugendliche.
Soldat auf Zeit (1998 – 2006)
Unmittelbar nach meinem Abitur wurde ich am 1. Juli 1998 zum Wehrdienst in die Bundeswehr nach Wolfhagen bei Kassel eingezogen. Als junger Mann fiel es mir anfangs nicht leicht, mich mit dem autoritären Führungsstil und der teils willkürlichen Art mancher Vorgesetzten zu arrangieren. Doch nach und nach fand ich meinen Weg und entdeckte dabei Seiten an mir, die mir vorher nicht bewusst waren, Durchhaltevermögen, Teamgeist und die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen. Einen Wendepunkt erlebte ich, als ich nach der Grundausbildung in das Fahr- und Waffensystem eines Kampfpanzers eingewiesen wurde. Der technische Vorsprung gegenüber zivilen Anwendungen faszinierte mich zutiefst: Navigationssysteme, Stabilisierungselektronik, Wärmebildgeräte waren Technologien, die es im Alltag damals nicht gab und die mir wie ein Blick in die Zukunft vorkamen. Diese Begeisterung für Technik, verbunden mit den abwechslungsreichen Aufgaben und dem Sport, führten schließlich dazu, dass ich meine Dienstzeit mehrfach verlängerte, am Ende auf acht Jahre. In dieser Zeit entwickelte ich eine große Leidenschaft für Ausbildung und Führung. Gemeinsam mit anderen Ausbildern arbeitete ich in freien Zeiten daran, Lerninhalte praxisnaher und verständlicher zu vermitteln und den kooperativen Führungsstil zu stärken. Rückblickend erfüllt es mich mit Stolz, dass ich während meiner militärischen Laufbahn an der Ausbildung und Entwicklung von weit über 1.000 jungen Menschen mitwirken durfte. Mit 23 Jahren wurde ich Vater. Ein Erlebnis, das mein Leben grundlegend veränderte. Die Geburt meines Sohnes war ein überwältigender Moment, und ich bin bis heute dankbar dafür, dass ich fast immer zu Hause war, wenn er seine kleinen und großen Entwicklungsschritte machte: die ersten Zähne, die ersten Worte, die ersten Schritte, Schwimmen- und Radfahrenlernen. Diese Nähe zu meinem Kind hat meine Entscheidungen und Prioritäten tief geprägt. Als im Zuge einer Strukturreform unser Bataillon und Standort aufgelöst werden sollten, stand für mich ein beruflicher Neuanfang an. Die Verantwortung für meinen Sohn und der Wunsch, ihn beim Aufwachsen aktiv zu begleiten, gaben mir schließlich den entscheidenden Anstoß, den Militärdienst nach acht Jahren zu beenden. Die Bundeswehr unterstützte mich beim Übergang ins Zivilleben mit berufsfördernden Maßnahmen. Ich absolvierte eine Ausbildung zum Bürokaufmann und ein Studium zum „Technischen Betriebswirt“, in dem ich meinen Schwerpunkt auf Produktions- und Logistikprozesse legte. Um herauszufinden, welche Branche am besten zu mir passt, sammelte ich Praxiserfahrungen in einem Handwerksunternehmen, einer Großhandelskette und einem internationalen Industriekonzern. Jede Station brachte mir wertvolle Einblicke und half mir, meinen eigenen Weg zu formen. Zu dieser Zeit war Deutschland Weltmarktführer in der Solarproduktion, und so widmete ich meine Abschlussarbeit einer damals noch visionären Fragestellung: Wie lassen sich Solarmodule am Ende ihres Lebenszyklus recyceln? Schon damals spürte ich, dass Nachhaltigkeit und innovative Technologien Themen sind, die mich weit über das Studium hinaus begleiten werden.
Selbständigkeit (2008 – 2012)
Als ich 2008 mein Studium beendete, fiel dieser Moment ausgerechnet in die Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise. Voller Hoffnung schrieb ich über 80 Bewerbungen und doch kam keine einzige Zusage. Rückblickend wurde ich in dieser Phase nicht nur Experte für Anschreiben, sondern auch für Durchhaltevermögen. Irgendwann traf ich eine Entscheidung, die mein Leben prägen sollte. Wenn mir kein Arbeitgeber eine Chance geben wollte, würde ich mir meine eigene schaffen. So wagte ich den Schritt in die Selbstständigkeit. Ich ließ mich an der Handwerkskammer Leipzig zum Gebäudeenergieberater qualifizieren und startete gemeinsam mit Partnerfirmen Sanierungsprojekte von großen Wohnsiedlungen in München und im Ruhrgebiet bis hin zu Aufträgen in Einfamilienhäusern. Aus den ersten kleinen Erfolgen wuchs schnell ein Unternehmen mit Mitarbeitern, Verantwortung und einem Alltag voller Herausforderungen. Es war eine aufregende Zeit, geprägt von Tatendrang, Freiheit und der Freude, etwas Eigenes aufzubauen. Doch die Kehrseite war ebenso spürbar. Heimatnahe Aufträge blieben selten, und die vielen Wochen auf entfernten Baustellen ließen mich oft die Momente verpassen, die wirklich zählten, die kleinen und großen Schritte meines Sohnes. Als seine Einschulung bevorstand, spürte ich deutlich, dass Erfolg im Beruf wertlos ist, wenn er zu sehr auf Kosten der Familie geht. So traf ich eine weitere wichtige Entscheidung, den Mut zur Umkehr. Ich gab die Selbstständigkeit in der Ferne auf, um mein Leben wieder näher bei meiner Familie zu gestalten.
Parallel dazu öffnete sich für mich ein weiteres Kapitel, das mein Leben bis heute prägt: ein neues Ehrenamt. 2008 übernahm ich zunächst kommissarisch, bald auch gewählt, einen Platz im Vorstand des Sportvereins SV Blau-Weiß 90 Wallwitz e.V.. Der Verein war damals am Boden. Schon zwei Jahre zuvor hatte eine Krisensitzung gezeigt, dass die Kassen leer waren. Die Gebäude verfielen, die Plätze waren kaum bespielbar, und überall türmte sich ein Investitionsstau, der unüberwindbar schien. Auch im Vereinsvorstand herrschte mehr Stillstand als Struktur. Entscheidungen folgten einer Ein-Mann-Logik, Protokolle gab es kaum, Fortschritte noch weniger. Die Nachwuchsarbeit, das Herzstück eines jeden Vereins, war schon lange zum Erliegen gekommen. Und doch saß ich da, umgeben von Menschen, die trotz allem nicht bereit waren, aufzugeben. Es war genau dieser Trotz, diese Überzeugung, die mich packte. Wo andere längst das Handtuch geworfen hätten, glaubten sie unbeirrt daran, dass es weitergehen müsse. Eine der größten Herausforderungen habe ich sehr schnell selbst gespürt. In einem Sportverein, der im Wettkampfbetrieb steht, gibt es keinen Stillstand. Woche für Woche gilt es, Trainingseinheiten zu planen, Mannschaften vorzubereiten und am Spieltag selbst alles zu organisieren. Kaum ist ein Spiel beendet, beginnt schon die Vorbereitung auf das nächste. Dieser unerbittliche Rhythmus unterscheidet Sportvereine deutlich von anderen Vereinen. Für mich bedeutete das, in einen Strudel aus Verantwortung und Terminen hineingezogen zu werden, aber auch Teil einer Gemeinschaft, die in diesem Rhythmus ihren Herzschlag fand. Was anfangs wie eine unlösbare Mammutaufgabe wirkte, verwandelte sich nach und nach in ein Herzensprojekt. Wir schmiedeten eine klare Strategie, erweckten die Nachwuchsarbeit wieder zum Leben und wagten uns an Projekte, die weit über den Sport hinausgingen, in Kultur, Umwelt und Bau. Schritt für Schritt, manchmal im Schneckentempo, manchmal mit großen Sprüngen, gelang es uns, den Verein wiederzubeleben. Und mit jedem Erfolg wuchs nicht nur der Verein, sondern auch meine eigene Verbundenheit zu diesem Ort und den Menschen, die ihn bis heute tragen. Es war kein leichter Weg, aber einer voller gemeinsamer Erfolge. Eltern, Mitglieder, Ehrenamtliche und Sponsoren packten mit an und aus vielen kleinen Beiträgen entstand etwas Großes. Fördermittelprojekte, die niemand für möglich gehalten hätte, konnten wir umsetzen. Für mich bedeutete das nicht nur Organisation und Management, sondern auch persönliche Weiterentwicklung. Um die nötige Fachkompetenz für diese Aufgabe zu erlangen, ließ ich mich über den Landessportbund zum Vereinsmanager in verschiedenen Lizenzstufen ausbilden. Heute schaue ich auf diese Jahre mit Dankbarkeit zurück. Sie haben mir gezeigt, dass Rückschläge immer auch Chancen bergen, dass man mit Leidenschaft Menschen mitreißen kann und dass Familie und Gemeinschaft der wichtigste Halt sind, wenn man wirklich wachsen will.
Mehr zum Sportverein unter www.sv-blau-weiss-90-wallwitz.de
Leitender Angestellter in der Stadtverwaltung Halle (Saale) (2011 – heute)
Als ich im Jahr 2011 meine Tätigkeit bei der Stadt Halle (Saale) begann, öffnete sich für mich ein ganz neuer beruflicher Abschnitt. Mit großem Tatendrang übernahm ich die Leitung eines Teams in der Wirtschaftsförderung. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen begleiteten wir die Unternehmen an den Gewerbestandorten der Stadt, vom Handwerksbetrieb bis zum Logistikzentrum. Wir unterstützten sie bei Bau- und Erweiterungsprojekten, bei der Fachkräftegewinnung und Fördermittelberatung. Schon damals faszinierte mich das Zusammenspiel von Verwaltung, Wirtschaft und Stadtentwicklung als komplexes Geflecht, das Gestaltungsräume eröffnet, wenn man die Fäden richtig zusammenführt. Ein entscheidender Wendepunkt kam 2013 mit dem Amtsantritt von Oberbürgermeister Bernd Wiegand. Ich erhielt die Aufgabe, ein völlig neues Querschnittsthema in der Verwaltung aufzubauen, das Dienstleistungszentrum Klimaschutz. Von Grund auf durfte ich Strukturen schaffen, ein Team aufbauen und Inhalte definieren. Klimaschutz war zu dieser Zeit noch ein junges Politik- und Verwaltungsfeld und ein Thema, das rechtlich, gesellschaftlich und technisch erst Gestalt annahm. Genau das machte die Arbeit so spannend. Wir waren nicht nur eine interne Anlaufstelle, sondern auch ein Motor für Veränderung, der in alle Richtungen wirkte, innerhalb der Stadtverwaltung, in die Gesellschaft hinein, zu Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft und bis hinein in Landes- und Bundesministerien. Um meine Arbeit fachlich zu vertiefen, absolvierte ich die Ausbildungen zum kommunalen Energiemanager sowie zum kommunalen Elektromobilitätsmanager und nahm parallel ein berufsbegleitendes Masterstudium in Geoinformationssystemen auf. Dieses Studium diente mir bewusst als fachliche Weiterbildung, um die komplexen Herausforderungen besser zu verstehen, auch wenn ich es in der Pandemie nicht vollendete. Wichtiger war für mich stets, neues Wissen unmittelbar in die Praxis einzubringen.
Besonders prägend waren die Förderprojekte, die wir für die Stadt Halle (Saale) einwerben konnten. Ob in nationalen Programmen oder in großen Partnerverbünden, stets ging es darum, Halle (Saale) ein Stück zukunftsfähiger zu machen. Denn die Nachfrage nach sicheren und bezahlbaren Energiequellen treibt Forschung und Innovation voran, schafft neue Technologien und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Effizientere Systeme verringern Abhängigkeiten von Importen und stabilisieren Wirtschaft und Gesellschaft. Der Umbau bestehender Infrastrukturen eröffnet zudem neue Arbeitsplätze und fördert regionale Entwicklung. Unternehmen und Verwaltung profitieren von sinkenden Betriebskosten durch Ressourceneffizienz, während gesellschaftliche Akzeptanz steigt, wenn Maßnahmen transparent und sozial ausgewogen gestaltet werden. So entstehen handfeste Vorteile für Standort, Wirtschaft und Gemeinschaft. Mit der Neubesetzung des Bürgermeisteramtes im Jahr 2025 wurden die Prioritäten neu gesetzt, und das Dienstleistungszentrum Klimaschutz ging als Team Klimaschutz im Fachbereich Umwelt auf. Heute arbeiten wir gezielt an den Schnittstellen von Klima- und Umweltthemen. Rückblickend sehe ich, dass wir nicht nur ein Verwaltungsinstrument aufgebaut haben, sondern ein lebendiges Netzwerk, das weit über die Stadt hinaus wirkt. Nachhaltige Stadtentwicklung ist für mich dabei nie nur ein Fachgebiet geblieben, sondern ein verbindendes Prinzip, das Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen herausfordert und bereichert.
Mehr über unsere Arbeit findet sich unter: www.klimaschutz.halle.de
Im Jahr 2020 stand ich erneut an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich nach Veränderung suchte. Mehr noch, ich suchte nach einer Möglichkeit, mich mit ganzer Kraft für meine Heimatgemeinde Petersberg einzusetzen. Mit dieser Motivation trat ich im offenen Bewerbungsverfahren für das Amt des Bürgermeisters an. Für mich war es die Chance, mein Wissen, meine Erfahrung und meine Leidenschaft in den Dienst der Menschen zu stellen, mit denen ich hier lebe. Auch wenn es am Ende nicht zum Wahlsieg gereicht hat, war diese Zeit für mich von unschätzbarem Wert. Ich habe viel gelernt, über mich selbst und vor allem über das Vertrauen, das mir viele entgegengebracht haben.
Ein Jahr später, im Juli 2021, erhielt ich die Möglichkeit, auf einer anderen Ebene Verantwortung zu übernehmen. Ich wurde in den Fußballverband Sachsen-Anhalt berufen. Im Ausschuss für Satzung und Ordnungen durfte ich an der Überarbeitung sämtlicher Regelwerke mitarbeiten. Eine Aufgabe, die mir zeigte, wie wichtig klare Strukturen und Regeln für das Funktionieren eines großen Verbandes sind.
Das Jahr 2022 brachte dann eine Erfahrung, die alle anderen überstrahlte. Im Juni durfte ich zum zweiten Mal Vater werden. Nach meinem Sohn hielt ich diesmal meine Tochter in den Armen. Ein Augenblick, der sich nicht in Worte fassen lässt. Ihre ersten Lebensjahre vergingen in atemberaubender Geschwindigkeit. Kaum hatte ich ihre winzigen Finger das erste Mal gespürt, stand sie schon mit unsicheren Schritten im Wohnzimmer. Wenig später füllte ihr fröhliches Geplapper unser Haus, eine Sprache, die wir Eltern schnell als die schönste Musik empfanden. Vater einer Tochter zu sein, ist eine ganz eigene Erfahrung. Mit meinem Sohn habe ich vieles zum ersten Mal gelernt, die Unsicherheit, die Müdigkeit, aber auch die unbeschreibliche Freude. Mit meiner Tochter war es nicht einfacher oder schwerer, sondern einfach anders. Beide Kinder haben mir auf ihre Weise gezeigt, wie großartig und herausfordernd das Abenteuer Familie ist.
Gerade sie sind es, die mich antreiben, mich noch stärker in meiner Heimat zu engagieren. Deshalb habe ich mich 2024 entschieden, für den Gemeinderat zu kandidieren und einige Mitbürgerinnen und Mitbürger haben mir ihr Vertrauen geschenkt. Heute darf ich im Rat mitarbeiten, im Hauptausschuss grundlegende Fragen diskutieren und im Finanzausschuss die Weichen für eine solide Haushaltsführung stellen. Darüber hinaus vertrete ich die Gemeinde im WAZV. Dort ist es mir besonders wichtig, die Stimme der Gebührenzahler hörbar zu machen. Ich sehe viele Themen, die mich unzufrieden stimmen, aber auch die Chance, mit Beharrlichkeit und klaren Ideen echte Verbesserungen zu erreichen.
Meine Familie, meine Heimat und das Vertrauen der Menschen sind für mich Antrieb und Verpflichtung zugleich. Sie geben meinem Engagement Sinn und lassen mich immer wieder spüren, warum es sich lohnt, Verantwortung zu übernehmen.